Unschuldsvermutung: Definition und Relevanz

Stand: 11. September 2023, 17:47 Uhr – von Redaktion

Bild Justitia - Unschuldsvermutung
Justitia ist das Sinnbild der Gerechtigkeit – und die Unschuldsvermutung ist dabei unverzichtbar / Quelle Adobe Stock

Die Unschuldsvermutung schützt einen jeden vor Willkür und ungerechtfertigter Verfolgung. Aus einem Rechtsstaat ist sie daher nicht wegzudenken.

Gerechtigkeit ist ein zentrales Element in jedem rechtsstaatlichen System. Es ist dieser einfache, aber starke Wunsch – die Gewährleistung eines fairen und gerechten Verfahrens – der als Fundament für alle juristischen Prinzipien und Verfahren dient, die wir heute haben. In der Mitte dieser gerechtigkeitsorientierten Vision steht ein unerschütterliches Prinzip: die Unschuldsvermutung. Dieser Grundsatz besagt, dass jeder Mensch, der einer Straftat angeklagt ist, als unschuldig gilt, bis seine Schuld in einem ordnungsgemäßen und fairen Prozess rechtlich und ohne jeglichen Zweifel bewiesen ist.

Das Prinzip der Unschuldsvermutung hat sowohl historische Wurzeln als auch tiefgreifende Auswirkungen auf die heutige Rechtspraxis. Ihm wurde in verschiedenen Formen und zu verschiedenen Zeiten in der Rechtsgeschichte eine unterschiedliche Gewichtung zugeteilt, aber sein fundamentaler Wert ist durchgängig anerkannt. In den folgenden Abschnitten befassen wir uns ausführlicher mit den rechtlichen Grundlagen, der Anwendung in Strafverfahren, der Geschichte und der praktischen Bedeutung dieses Grundsatzes.

Rechtliche Grundlagen der Unschuldsvermutung

Das Prinzip, dass jemand als unschuldig gilt, bis seine Schuld bewiesen ist, ist nicht explizit in der deutschen Verfassung verankert. Allerdings ergibt sich dieses Prinzip einhellig aus dem Rechtsstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 3 und Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG), in Verbindung mit Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Dieser Artikel der EMRK bekräftigt explizit, dass jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt. Zudem findet der Grundsatz in Artikel 11 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte seine Basis.

Daher ist das Prinzip der Unschuldsvermutung im gesamten deutschen Rechtssystem und in der gesamten europäischen Rechtsordnung anerkannt. Es ist ein Grundsatz, der das gesamte Rechtssystem durchdringt und einen entscheidenden Einfluss auf die Art und Weise hat, wie Gerichtsverfahren geführt werden und wie Urteile gefällt werden.

Anwendung der Unschuldsvermutung im Strafverfahren

Die Anwendung dieses Grundsatzes im deutschen Strafverfahren hat mehrere Facetten. Ein zentraler Aspekt ist, dass ein Beschuldigter oder Angeklagter als unschuldig gilt, bis seine Schuld durch den rechtlichen Prozess bewiesen ist. Dieser Aspekt ist von entscheidender Bedeutung, da er den Beschuldigten oder Angeklagten vor voreiligen Urteilen und möglicherweise ungerechten Strafen schützt.

Es gibt auch andere Aspekte der Anwendung der Unschuldsvermutung im Strafverfahren. Einer davon ist das Recht des Angeklagten zu schweigen. Nach § 136 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) hat der Beschuldigte das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, ohne dass ihm dieses Schweigen zum Nachteil gereichen darf. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der Unschuldsvermutung, da es den Angeklagten davor schützt, unter Druck gesetzt oder manipuliert zu werden, um sich selbst zu belasten.

Historischer Kontext der Unschuldsvermutung

Historisch betrachtet geht die Präsumtion der Unschuld auf den französischen Kardinal Jean Lemoine (1250–1313) zurück. Die Idee wurde jedoch im Jahr 1631 im deutschsprachigen Raum mit der Formulierung “in dubio pro reo” („im Zweifel für den Angeklagten“) von Friedrich Spee in der Cautio Criminalis, einer umfangreichen Schrift gegen die Praxis der zu der Zeit überhandnehmenden Hexenverfolgungen, aufgegriffen und vertieft. Die Auswirkungen dieses historischen Ereignisses sind bis heute spürbar und haben das Gesicht der Rechtspraxis nachhaltig geprägt.

Praktische Bedeutung und Herausforderungen der Unschuldsvermutung

Die praktische Umsetzung der Unschuldsvermutung in einem Strafverfahren bedeutet, dass es die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist, die Schuld zu beweisen und jegliche Zweifel an der Unschuld zu beseitigen. Sie tragen die Beweislast und müssen das Gericht überzeugen, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Dies schützt den Angeklagten vor einer ungerechten Verurteilung und stellt sicher, dass nur Personen verurteilt werden, gegen die eindeutige und überzeugende Beweise vorliegen.

Trotz seiner Bedeutung ist das Prinzip der Unschuldsvermutung nicht absolut und kann in bestimmten Situationen begrenzt werden. Zum Beispiel kann nach den §§ 112 ff. StPO Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, wie zum Beispiel Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr, obwohl der Angeklagte formell noch als unschuldig gilt.

Ein weiterer Bereich, in dem das Prinzip der Unschuldsvermutung Herausforderungen begegnet, ist der öffentliche Diskurs und Medienberichterstattung. Vorverurteilungen in den Medien können das öffentliche Bild eines Angeklagten prägen und seinen Ruf schädigen, selbst wenn er später rechtlich als unschuldig angesehen wird. Dies unterstreicht die Bedeutung einer verantwortungsvollen und ethischen Berichterstattung in Fällen strafrechtlicher Verfolgung.

Fazit

Im Gesamtkontext ist der Grundsatz der Unschuldsvermutung ein grundlegendes Prinzip des Strafverfahrens. Es dient dazu, die Rechte des Einzelnen zu schützen und sicherzustellen, dass nur nach einem fairen Verfahren und auf der Grundlage überzeugender Beweise eine Verurteilung stattfindet. Es ist ein wichtiger Bestandteil der rechtsstaatlichen Tradition und hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Art und Weise, wie das Strafrecht in der Praxis angewendet wird. Das Prinzip der Unschuldsvermutung ist mehr als nur ein rechtlicher Standard, es ist ein Grundpfeiler unserer Gerechtigkeitsvorstellung, der das Vertrauen in unser Rechtssystem stärkt und zur Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit beiträgt.

Über den Autor

Nach oben scrollen