Die Geschichte des Strafvollzugs in Deutschland

Stand: 11. September 2023, 17:47 Uhr – von Redaktion

Bild Kerker
Bild von einem Kerker / Quelle: Adobe Stock

Was ist überhaupt Strafvollzug?

Die Aufgabe des Strafvollzugs ist es, rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafen zu vollziehen. Wird also jemand zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt und diese Strafe wird nicht zur Bewährung ausgesetzt, wird er in die für ihn zuständige Haftanstalt eingewiesen und wird erst wieder entlassen, wenn seine Strafe verbüßt ist.

Kaiserreich – Zuchthäuser

Die Strafverbüßung in einem Zuchthaus bestand vor allem aus harter körperlicher Arbeit, die z.B. in Steinbrüchen zu verrichten war.

Die ersten Zuchthäuser in Deutschland entstanden bereits Anfang des 17. Jahrhunderts, zum Beispiel 1609 in Bremen und 1613 in Lübeck. In Zuchthäusern wurden sog. Leib- und Lebensstrafen verbüßt.

Diese kann man nicht als Gefängnisse im herkömmlichen Sinne betrachten, da dort nicht nur Kriminelle untergebracht wurden. Vielmehr wurden vor allem unliebsame Mitbürger in die Zuchthäuser eingewiesen, die man eher als soziale Einrichtungen betrachtete, um diese zu „bessern“. So wurden dort zum Beispiel Bettler und Prostituierte untergebracht, die man „sozialisieren“ wollte, um sie wieder in die Gesellschaft zurückführen zu können. Durch die harte Arbeit und die Haftbedingungen sollten die Menschen „therapiert“ werden. Damals ging man davon aus, dass dadurch die gewünschte Besserung der Zuchthäusler stattfindet.

Ein Gerichtsbeschluss war nicht notwendig, um Menschen in ein Zuchthaus einzuliefern. Bauern konnten zum Beispiel Knechte und Mägde dort einweisen, um Leistungsdefizite „behandeln“ zu lassen. Auch die Haftdauer wurde nicht bestimmt. So hingen die Gründe der Inhaftierung und der Zeitpunkt der Entlassung in den meisten Fällen von reiner Willkür ab, vor allem von den Entscheidungen des Personals im Zuchthaus. Da es kein objektives Richtmaß gab, wie die gewünschte Besserung festgestellt werden konnte, entschied zumeist das Personal, ob dieser Punkt erreicht war.

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich das Ganze so, dass man verschiedene Einrichtungen zusammenlegte und dort Zuchthäusler, Waisenkinder, psychisch und physisch Kranke unterbrachte. Insgesamt wurden dort alle Menschen untergebracht, die es nach damaliger Ansicht nicht Wert waren, in der Gesellschaft zu leben und deshalb verbannt werden mussten. Wobei das nur in begrenztem Umfang umgesetzt wurde.

Langsam entwickelten sich aus den Zuchthäusern Strafeinrichtungen, also Gefängnisse. Auch entstand ein Bewusstsein dafür, dass es einer Regelung bedarf, was die Haft in Zuchthäusern anging.

Erstmalig geregelt wurde die Zuchthausstrafe im Deutschen Reich im Jahr 1871 im Reichsstrafgesetzbuch. In den Paragraphen 14-19 wurden insgesamt vier Formen der Freiheitsstrafe geregelt: Haft, Gefängnis, Festungshaft und Zuchthaus, die die härteste Bestrafung war.

Eine lebenslange Zuchthausstrafe konnte nur noch verhängt werden, wenn dies explizit im Gesetz zur jeweiligen Strafe angedroht wurde. Andernfalls hatten die Strafen eine Dauer von mindestens einem und maximal 15 Jahren. Zusätzlich zur Zuchthausstrafe konnte in Deutschland auf Verlust der Bürgerrechte erkannt werden.

Drittes Reich

In der Zeit des Nationalsozialismus gab es diverse Haftstrafen, die insbesondere dafür verwendet wurden, Hitlers Diktatur möglichst störungsfrei am Laufen zu halten. Neben Gefängnissen gab es auch weiterhin die Zuchthäuser. Diese wurden um Straflager erweitert, um für mehr Kapazität zu sorgen. Zudem sollte die Strafe im Zuchthaus-Straflager entbehrungsreicher sein. Ab 1940 wurden in den Zuchthäusern Rüstungsbetriebe erreichtet.

In den Gefängnissen, Straflagern und Zuchthäusern wurden im Dritten Reich nicht nur Kriminelle untergebracht. Diese wurden insbesondere dazu genutzt, unliebsame Bürger wegzusperren. In den damaligen Haftanstalten waren daher zum Beispiel Sozialdemokraten, Kommunisten und Regime-Kritiker untergebracht. Neben diesen politischen Gefangenen wurden alle Menschen eingesperrt, die laut den Nazis nicht in die „Volksgemeinschaft“ passten, also zum Beispiel homosexuelle Männer, Juden, Zeugen Jehovas, „Asoziale“ und „Gewohnheitsverbrecher“. Viele dieser Menschen wurden häufig unter dem Euphemismus „Schutzhaft“ eingesperrt.

Die Justiz im Dritten Reich war durch Willkür und politische Interessen geprägt. Nahezu jeder konnte eingesperrt werden, wenn er nach damaliger Ansicht eine Gefahr für das Regime oder die „Volksgemeinschaft“ darstellen konnte.

Das geschichtsträchtige Gefängnis Bautzen I (Link: JVA Bauzen), in welchem viele politische Gefangene untergebracht wurden, wird noch heute als Haftanstalt genutzt. Im Volksmund wird dieses „Gelbes Elend“ genannt.

Nachkriegszeit

Das Reichsstrafgesetzbuch galt erst einmal weiterhin. In der DDR wurde es 1968 durch das Strafgesetzbuch der DDR abgelöst, welches kein Zuchthaus mehr kannte. In der Bundesrepublik Deutschland wurde im Zuge der Großen Strafrechtsreform das Erste Strafrechtsreformgesetz vom 25. Juni 1969 auf den Weg gebracht, durch welches die Zuchthausstrafe zum 1. April 1970 endgültig abschafft wurde.

Vorher hatte das Zuchthaus in der BRD durch Prozesse der Liberalisierung und der Reform seine ursprüngliche Bestimmung annähernd verloren und Zuchthausstrafen wurden fast nur noch für schwere Verbrechen verhängt.

Der Strafvollzug entwickelte sich in der BRD langsam zu dem, was er heute ist, während in der DDR bis zu ihrem Fall weiterhin auch politische Gefangene in den Haftanstalten untergebracht wurden.

Heute

Die Große Strafrechtsreform, die in der BRD in den 1950er und 1960er Jahren stattfand, ist die Basis des heutigen Strafvollzuges. Im Jahre 1972 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es notwendig sei, den Strafvollzug gesetzlich zu regeln. Vorher hielt der Gesetzgeber dies verfassungsrechtlich nicht für notwendig. Am 16. März 1976 wurde dann das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) erlassen, welches am 01. Januar 1977 in Kraft trat.

Gemäß § 2 Satz 1 StVollzG soll der Gefangene durch Vollzug der Freiheitsstrafe dazu befähigt  werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Das ist das sogenannte Vollzugsziel. Sinn des Strafvollzuges ist demnach die Resozialisierung des Gefangenen.

Dabei soll der Vollzug der Freiheitsstrafe so ausgelegt sein, dass schädlichen Einflüssen durch die Haft per se entgegengewirkt wird. Die Haft allein soll demnach also nicht mehr schädigen, wie das in der Vergangenheit durch die Zuchthausstrafe (Besserung durch harte Haftbedingungen) der Fall war.

Im Strafvollzugsgesetzbuch werden auch die Sicherungsverwahrung, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einem psychiatrischen Krankenhaus geregelt.

Im Jahr 2006 trat die Föderalismusreform in Kraft. Dadurch wurde den Ländern mehr Kompetenz für Gesetzgebungsverfahren ermöglicht.

Diese Reform wirkte sich auch auf die Regelung des Strafvollzugs aus. Die Länder sind seitdem allein für die gesetzgeberische Ausgestaltung des Strafvollzugs verantwortlich. Somit brachten die Bundesländer ihre eigenen Strafvollzugsgesetze auf den Weg (Link: Alle Landesjustizgesetze).

Das Bundesverfassungsgericht forderte in diesem Zuge mit Urteil vom 31. Mai 2006 eine gesetzliche Regelung des Jugendstrafvollzugs, welche die Länder in der Regel in die Landesstrafvollzugsgesetze mit aufnahmen.

Heute gibt es in Deutschland etwa 180 Justizvollzugsanstalten mit etwa 75.000 Haftplätzen, von denen ca. 64.000 belegt sind, was einer Belegungsrate von etwa 85 % entspricht (Quelle, Stand 2019: https://www.prison-insider.com/files/27fb6dd4/190527_deutschland_countryprofile_de.pdf)

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